17 Ernährungsmacht

Autor: Samuel Jackisch

Machtfrage Ernährung: Wer bestimmt, was wir essen?

Weniger Zucker. Frisches Obst und Gemüse aus nachhaltiger Landwirtschaft mit kurzen Lieferwegen. Weniger Fleisch – und wenn, dann aus artgerechter Haltung. Über die Grundzüge einer gesünderen und besseren Ernährung für alle besteht im Prinzip Einigkeit.

Eine Ernährungspolitik, die Mensch und Planet gesund hält, haben hochrangige Wissenschaftler aus den Bereichen Medizin, Agrar, Wirtschaft und Politik sogar in einer Art „Welternährungsformel“ zusammengefasst und jüngst in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht: Sieben Gramm Rindfleisch sollen es sein pro Person am Tag, im Schnitt versteht sich. Ebenso Milchprodukte, Hülsenfrüchte, Gemüse – alles idealtypisch aufs Gramm genau berechnet.

Was im Gegensatz zum Ideal tatsächlich auf unseren Tellern landet, ist das Ergebnis von Machtpolitik: Wissenschaftliche Gremien, UN-Organisationen wie die FAO, nationale Regierungen und nicht zuletzt multinationale Agrar- und Lebensmittelkonzerne reden und entscheiden mit.

UN, EU, Nestlé und Danone – wer bestimmt, was wir essen? Welche Ziele verfolgen die wichtigen Player, welche Maßnahmen werden diskutiert? Wie stellen wir sicher, dass genügend, gutes und gesundes Essen kein Privileg für die Wenigsten wird?

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Sendung als Podcast

Download Funkkolleg Ernährung (Folge 17), MP3-Audioformat, 28,2 MB

Sendung in hr-iNFO: 14.03.2020, 11:30 Uhr

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Zusatzmaterial

  1. „Welternährungsplan“. 2
  2. FoodDrinkEurope.. 3
  3. European Public Health Alliance.. 4
  4. laut klinischer Studie führt der Verzehr „ultraverarbeiteter“ Lebensmittel zu einer erhöhten Energieaufnahme.. 4
  5. weiterführende Literatur. 5
  6. Personen. 6

 

1. „Welternährungsplan“

Die meisten Studien kommen zu dem Schluss, dass eine Ernährung, die reich an pflanzlichen Lebensmitteln und mit weniger Lebensmitteln tierischer Herkunft ist, sowohl der Gesundheit als auch der Umwelt zugute kommt. Die Literatur zeigt insgesamt, dass solche Diäten für alle Beteiligten von Vorteil sind, da sie sowohl für die Menschen als auch für den Planeten gut sind. Es gibt jedoch noch immer keinen globalen Konsens darüber, was eine gesunde Ernährung und eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion ausmacht und ob bis 2050 für eine Weltbevölkerung von 10 Milliarden Menschen eine weltweite ausgewogene Ernährung erreicht werden kann.

Durch die Bewertung der vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse entwickelte die Kommission globale wissenschaftliche Ziele für eine gesunde Ernährung und eine nachhaltige Lebensmittelproduktion und integrierte diese universellen wissenschaftlichen Ziele in einen gemeinsamen Rahmen, den sicheren Handlungsraum für Lebensmittelsysteme, so dass eine weltweite Ernährung (sowohl gesund als auch umweltverträglich) identifiziert werden konnte. Dieser sichere Handlungsraum wird durch wissenschaftliche Ziele für die Aufnahme bestimmter Lebensmittelgruppen (z.B. 100 bis 300 g Obst pro Tag) zur Optimierung der menschlichen Gesundheit und wissenschaftliche Ziele für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion zur Gewährleistung eines stabilen Erdsystems definiert.

https://eatforum.org/eat-lancet-commission/eat-lancet-commission-summary-report/

Welternährung  https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/Welternaehrung/FAO-Welthungerbericht.html

2. FoodDrinkEurope

Die Aufgabe von FoodDrinkEurope besteht darin, die Entwicklung eines Umfelds zu erleichtern, in dem alle europäischen Lebensmittel- und Getränkeunternehmen, unabhängig von ihrer Größe, die Bedürfnisse der Verbraucher und der Gesellschaft erfüllen und gleichzeitig wirksam um nachhaltiges Wachstum konkurrieren können.

Der Beitrag von FoodDrinkEurope basiert auf solider wissenschaftlicher Forschung, robustem Datenmanagement und effektiver Kommunikation, wobei innerhalb des gesetzlichen Rahmens gearbeitet wird, um sicherzustellen, dass alle Lebensmittel- und Getränkefragen auf ganzheitliche Weise behandelt werden. Die Organisation fördert die Interessen ihrer Mitglieder in Bereichen wie Lebensmittelsicherheit und -wissenschaft, Ernährung und Gesundheit, Vertrauen und Auswahl der Verbraucher, Wettbewerbsfähigkeit und ökologische Nachhaltigkeit.

Wie FoodDrinkEurope arbeitet

Das ständige Sekretariat von FoodDrinkEurope mit Sitz in Brüssel unterhält enge Kontakte zu europäischen und internationalen Institutionen und ist ein wichtiger Partner bei Beratungen zu allen Fragen, die die europäische Lebensmittel- und Getränkeindustrie betreffen.

FoodDrinkEurope koordiniert die Arbeit von mehr als 700 Experten in seinen Ausschüssen und Expertengruppen zu vier Themen: Lebensmittel- und Verbraucherpolitik (Lebensmittelsicherheit und Wissenschaft, Ernährung und Gesundheit), ökologische Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit.

Über diese Ausschüsse und Expertengruppen stellen Europas Lebensmittel- und Getränkehersteller ein breites und tiefes Fachwissen zur Verfügung. Sie tragen zu den Positionen von FoodDrinkEurope zu Schlüsselfragen bei, die nach ihrer Genehmigung den europäischen und internationalen Entscheidungsträgern mitgeteilt werden, um legislative und nicht-legislative Entwicklungen mit Auswirkungen auf die Branche zu gestalten.

https://www.fooddrinkeurope.eu/

3. European Public Health Alliance

Die EPHA ist unter anderem Mitglied der Sozialplattform und der Health and Environment Alliance (HEAL). Sie überwachen den politischen Entscheidungsprozess innerhalb der EU-Institutionen und unterstützen den Informationsfluss über die Entwicklungen in der Gesundheitsförderung und der öffentlichen Gesundheitspolitik unter allen interessierten Akteuren, einschließlich: Politiker, Beamte, NGOs, Interessenvertreter und die Öffentlichkeit. Sie fördern das Bewusstsein der europäischen Bürger und NGOs für politische Entwicklungen und Programminitiativen, die sich auf die Gesundheit der in der EU lebenden Menschen auswirken, und ermöglichen es ihnen, zum politischen Entscheidungsprozess beizutragen. Sie schulen, betreuen und unterstützen NGOs und Gesundheitsakteure bei der Zusammenarbeit mit der EU, insbesondere mit lokalen Organisationen, mit Personen, die mit benachteiligten Gemeinschaften und in Mittel- und Osteuropa arbeiten. Sie nehmen an politischen Debatten und Stakeholder-Dialogen teil, um das Profil der Gesundheit in allen Politikbereichen zu schärfen, und unterstützen die Zusammenarbeit und Partnerschaften zwischen Nichtregierungsorganisationen und anderen Organisationen, die auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene in den Bereichen Gesundheitsförderung und öffentliche Gesundheit tätig sind.

https://epha.org/

4. laut klinischer Studie führt der Verzehr „ultraverarbeiteter“ Lebensmittel zu einer erhöhten Energieaufnahme

Hall et al. untersuchten 20 stationäre Erwachsene, die jeweils 14 Tage lang in zufälliger Reihenfolge einer ultraverarbeiteten gegenüber einer unverarbeiteten Diät ausgesetzt waren.  Die Diäten wurden hinsichtlich der zugeführten Kalorien, Zucker, Fett, Natrium, Ballaststoffe und Spurenelemente abgestimmt. Die Adlibituminaufnahme betrug 500 kcal/Tag mehr bei der ultraverarbeiteten als bei der unverarbeiteten Diät. Die Ernährung ultraverarbeiteter Lebensmittel verursachte eine Gewichtszunahme.

https://www.sciencemag.org/news/2019/05/ultraprocessed-foods-may-make-you-eat-more-clinical-trial-suggests

https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(19)30248-7

5. weiterführende Literatur

WHO: Gesunde Ernährung verlängert das Leben https://www.who.int/nutrition/publications/essential-nutrition-actions-2019/en/

KAS: Gesundheit als Investitionsgut Bedeutung einer gesünderen Bevölkerung für Gesellschaft und Ökonomie https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=10c21dbe-240c-35c9-4e6e-61437d510a8b&groupId=252038

Berenberg Bank/HWWI: Strategie 2030 – Gesundheit http://www.hwwi.org/fileadmin/hwwi/Publikationen/Partnerpublikationen/Berenberg/Strategie-2030-Gesundheit.pdf

FAO: Öffentliche Auftragsvergabe ist Schlüssel http://www.milanurbanfoodpolicypact.org/wp-content/uploads/2018/07/Brief-15-Copenhagen.pdf

Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) UN zur Auswirkung unseres Nahrungssystems auf Klima und Umwelt: https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2019/08/2f.-Chapter-5_FINAL.pdf

FAO der UN zur Haltung von Rindern: http://www.fao.org/3/ar591e/ar591e.pdf

6. Personen

Prof. i.R. Dr. Michael Krawinkel

Herr Krawinkel ist 1950 in Frankfurt am Main geboren. Zwischen 1969 und 1976 studierte und promovierte er im Fach Medizin an der Universität in Frankfurt. Er war anschließend Medizinalassistent in Frankfurt, Ulm und Schleswig. Zwischen 1977 und 1980 war er Assistenzarzt in Bonn. Daraufhin war er mit dem Deutschen Entwicklungsdienst im Sudan tätig. Zwischen 1983 und 1998 arbeitete er zunächst als Assistenzarzt, ab 1989 als Oberarzt in der Kinderklinik der Universität in Kiel. 1991 habilitierte er für Kinderheilkunde an der Universität in Kiel. Zwischen 1999 und 2016 war er als Professor für Ernährung des Menschen mit Schwerpunkt Ernährung in Entwicklungsländern im Institut für Ernährungswissenschaft und Mitglied im Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin der Universität Gießen tätig. Er war Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Tropenpädiatrie sowie der Hermann-Mai-Stiftung der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Zwischen 1999 und 2009 war er wissenschaftlicher Beirat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Zudem war er als Vertrauensdozent des Evangelischen Studienwerks Villigst e.V. an der JLU Gießen tätig. Er war Mitglied des Standing Committee der International Pediatric Association, des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sowie Vertreter der DGE bei der Deutschen Welthungerhilfe, der Nationalen Stillkommission im Bundesinstitut für Risikobewertung, beim „Netzwerk Junge Familie“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Außerdem war er Mitglied des Beirats von Misereor und des Steering Committee des Civil Society Network des Scaling-Up Nutrition (SUN) movement. Zeitweise hatte er Beratungstätigkeit für die Gesellschaft für Technische/Internationale Zusammenarbeit (gtz/GIZ), die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Deutsche Welthungerhilfe e.V., die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen (FAO) sowie das World Vegetable Center/AVRDC in Taiwan. Auswärtige Lehrtätigkeit in Kindergesundheit/Pädiatrie und Internationaler Ernährung in den Kursen des Bernhard-Nocht-Instituts Hamburg, der Universität Heidelberg, des Centers for International Health der Universität München sowie der Universität Wien, der Donau-Universität Krems und der Hebrew University of Jerusalem in Rehovot/Isreal zählten ebenfalls zu seinen Arbeitsgebieten.

Martin Häusling

Herr Häusling ist geboren 1961 in Bad Wildungen, und gelernter Agrartechniker. Der Familienbetrieb, der Kellerwaldhof, wird seit 1988 nach Bioland-Richtlinien bewirtschaftet. Seit 1999 wird eigener Käse hergestellt und wird seit einigen Jahren im Wesentlichen von den Söhnen geleitet.

Von 2003 bis 2009 war er Mitglied des Hessischen Landtages, fachpolitischer Sprecher für Landwirtschaft, Europa, Verbraucherschutz sowie ländliche Räume und Gentechnik. Mit der Europawahl vom 7. Juni 2009 wurde Martin Häusling in das Europaparlament gewählt. Dort ist er Mitglied im EU-Agrarausschuss (AGRI) sowie Mitglied im EU-Umweltausschuss (ENVI) und der agrarpolitischer Sprecher der Fraktion die GRÜNEN/EFA.

Norbert Lins

Herr Lins ist am 22.12.1977 in Ravensburg geboren. Aufgewachsen ist er in Horgenzell-Danketsweiler, zurzeit ist er in Pfullendorf wohnhaft. Von 1998 bis 2002 absolvierte er ein Studium des gehobenen Verwaltungsdienstes an der Fachhochschule Kehl mit Verwaltungsstationen bei der Gemeinde Horgenzell, der Stadt und dem Landratsamt Ravensburg. Anschließend absolvierte er den Masterstudiengang „Europäisches Verwaltungsmanagement, M.A.“ an den Fachhochschulen Ludwigsburg und Kehl. Von 2004 bis 2009 war er Büroleiter des Europaabgeordneten Dr. Andreas Schwab in Brüssel und Straßburg. Zwischen 2006 und 2011 hatte er einen Lehrauftrag an der Hochschule Kehl. Zudem war er im Referat Grunderwerb im Straßenbau am Regierungspräsidium Tübingen tätig und war persönlicher Referent von Minister Rudolf Köberle MdL im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sowie Referent für Breitbandförderung im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Seit 2014 ist er Mitglied des Europäischen Parlaments, Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Seit Januar 2018 ist er Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung.

Charlotte Godziewski

Frau Godziewski begann 2016 mit ihrem Promotionsprojekt. Im Jahr 2017 arbeitete sie als graduierte Lehrassistentin am Fachbereich Politikwissenschaft der Universität Sheffield und ist derzeit als Teaching Associate am Fachbereich Politikwissenschaft und Internationale Studien der Universität Birmingham tätig. Zwischen 2012 und 2014 gründete und leitete sie die Ernährungsabteilung des Dhulikhel Hospital, Kathmandu University Teaching Hospital, Nepal. Nach ihrer Rückkehr nach Europa arbeitete sie als Politikpraktikantin für Ernährung und Landwirtschaft bei der European Public Health Alliance. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen:

  • Politik der Gesundheit
  • Öffentliche Ordnung
  • EU-Regierung
  • Interpretierende Politikanalyse
  • Diskursanalyse
  • Die Soziologie des Wissens

Dirk Jacobs

Bei FoodDrinkEurope ist Dirk Jacobs seit März 2010 als stellvertretender Generaldirektor und Direktor für Verbraucherinformation, Ernährung und Gesundheitsfragen zuständig. Als stellvertretender Generaldirektor unterstützt er den Generaldirektor bei der allgemeinen Verwaltung und der Vertretung der Organisation nach außen. Darüber hinaus leitet und koordiniert er die Positionen der europäischen Lebensmittel- und Getränkeindustrie in den Bereichen Verbraucherinformation, Ernährung und Gesundheit.

Nikolai Pushkarev

Herr Pushkarev leitet die European Public Health Alliance (EPHA)-Kampagne „Food, Drink & Agriculture“, die sich für eine evidenzbasierte Politik zur Umgestaltung des europäischen Lebensmittelsystems in Richtung Gesundheit und Wohlbefinden einsetzt. Die Kampagne setzt sich insbesondere dafür ein, gesunde und nachhaltige Lebensmittel- und Getränkeumgebungen zu schaffen, Europas Jugend von ungesunder Vermarktung zu befreien und die Gemeinsame Agrarpolitik der EU neu zu erfinden.

Maria Noichl

Seit 2014 ist sie im Europäischen Parlament. Es ist das zweitgrößte Parlament der Welt und hat ein Ziel: Freiheit, Frieden & Freundschaft der Völker in Europa.

Ihre persönlichen Schwerpunkte liegen im landwirtschaftlichen Bereich und beim Thema Gleichberechtigung von Frauen. In beiden Ausschüssen war sie bereits in ihrer ersten Legislaturperiode von 2014 bis 2019 Vollmitglied und ist es auch wieder nach Beginn der aktuellen Legislaturperiode 2019. Zudem ist sie jetzt Koordinatorin der FEMM -Ausschussmitglieder der S&D-Fraktion.

Sarah Wiener

Sarah Wiener (* 27. August 1962 in Halle, Westfalen) ist eine deutsch-österreichische Unternehmerin, Fernsehköchin, Autorin und Politikerin. Bei der Wahl zum Europaparlament 2019 kandidierte sie als Parteilose für die österreichischen Grünen und wurde zur Abgeordneten gewählt.

Bert Vandewaetere

Herr Vandewaetere arbeitet für Nestlé und ist Chef-Unternehmenssprecher für die Regionen Europa, Nordafrika und den Mittleren Osten.

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