04 Proteine

Autor: Stephan Hübner

Fressen und gefressen werden – Proteine im Nahrungskreislauf

Proteine, auch Eiweiße genannt, sind für den Menschen unentbehrlich. Ohne Proteine keine Muskeln und keine Bewegung. Aber auch Haut, Haare, Knochen, Knorpel und Sehnen – alles braucht Proteine. Proteine stecken in Spinat, in Nüssen und in Hülsenfrüchten, vor allem aber in Fleisch. Der hohe Proteingehalt macht Fleisch zu einer höchst attraktiven Nahrungsquelle für den Menschen. Seit sich Fleisch dank der industriellen Tierhaltung so günstig und in so großen Mengen wie nie zuvor produzieren lässt, ist der Fleischkonsum rasant gestiegen.

Global gesehen aber läuft etwas gewaltig schief im Protein-Kreislauf. Wofür brauchen Lebewesen Proteine – oder genauer: einen ihrer kleinsten chemischen Bausteine, den Stickstoff? Wie kommt man an genügend Proteine heran? Und was bedeutet in dem Zusammenhang überhaupt „genügend“? Von solchen Fragen ist es nur ein kurzer Weg zu den übergreifenden Mechanismen, die dem großen Fressen zugrunde liegen – die Nahrungsketten und -kreisläufe.

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Sendung als Podcast
Download Funkkolleg Ernährung Folge 04, MP3-Audioformat, 24:18 Min., 34,2 MB

Sendung in hr-iNFO,: 23.11.2019, 11.30 Uhr

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Zusatzmaterial

  1. Nahrungsnetz
  2. Ganzkörperverwertung von Tieren
  3. Aminosäuren
  4. Enzyme
  5. Hormone
  6. Proteine in Lebensmitteln
  7. Proteinmangel
  8. Bücher
  9. Personen

1. Nahrungsnetz

Der Begriff wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt vom britischen Zoologen Charles Elton. Ein Nahrungsnetz besteht in der Regel aus nur wenigen Gliedern, wie man die trophischen Ebenen auch nennt. Meist sind es nicht mehr als fünf. Am Anfang einer Nahrungskette müssen Lebewesen stehen, die ihre chemische Energie selbst herstellen können, vor allem Pflanzen. Sie ziehen Energie durch Photosynthese direkt aus dem Sonnenlicht. Am Ende jeder Nahrungskette steht ein sogenanntes Spitzenraubtier. Das kann ein Greifvogel, eine Raubkatze oder auch der Mensch sein.

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2. Ganzkörperverwertung von Tieren

„Nose to Tail“ bedeutet „Vom Kopf bis Schwanz“ und verarbeitet von einem geschlachteten Tier möglichst alle Teile. Folgende Abbildung aus dem Fleischatlas 2018 zeigt die fast vergessenen Produkte von Rind, Schwein und Huhn:

https://www.verbraucherzentrale.nrw/sites/default/files/inline-images/vergesseneprodukte.jpg

https://www.verbraucherzentrale.nrw/sites/default/files/inline-images/vergesseneprodukte.jpg

Weiterführende Informationen finden Sie unter folgenden Links:

https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/massentierhaltung/massentierhaltung_fleischatlas_2018.pdf

https://www.verbraucherzentrale.nrw/wissen/lebensmittel/auswaehlen-zubereiten-aufbewahren/ganztiernutzung-nose-to-tail-ein-neuer-trend-22659

http://www.forum-ernaehrung.at/fileadmin/user_upload/Nose_To_Tail__3.pdf

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3. Aminosäuren

Bestehen vor allem aus vier Elementen: Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff.

Aminosäuren sind α-Aminocarbonsäuren. Sie enthalten ein Kohlenstoffatom, an das eine Aminogruppe, eine Carboxylgruppe, ein Wasserstoffatom und ein für jede Aminosäure typischer Rest, der auch als Seitenkette bezeichnet wird, gebunden sind. Die Grundbausteine der Proteine sind die „klassischen“ 20 proteinogenen L-Aminosäuren. Sie sind im Genom für Proteine kodiert.

Die proteinogenen Aminosäuren werden aus ernährungsphysiologischer Sicht in essenzielle (unentbehrliche), bedingt essenzielle (bedingt entbehrliche, semiessenzielle) und nicht essenzielle (entbehrliche) Aminosäuren eingeteilt. Essenzielle Aminosäuren kann der Körper nicht selbst herstellen. Sie müssen deshalb mit der Nahrung in ausreichenden Mengen aufgenommen werden. Traditionell werden 8 Aminosäuren dieser Gruppe zugerechnet, darunter Leucin, Phenylalanin und Tryptophan.

Bedingt essenzielle Aminosäuren können aus dem Stoffwechsel anderer Aminosäuren oder komplexer stickstoffhaltiger Metaboliten gebildet werden. Entscheidend ist jedoch, dass ausreichend Vorläufermoleküle für die bedarfsangepasste Synthese verfügbar sind. Eine proteinfreie Kost und bestimmte Erkrankungen können erfahrungsgemäß dazu führen, dass (zumindest temporär) Aminosäuren dieser Gruppe nicht ausreichend vom Körper synthetisiert werden können. Nicht essenzielle Aminosäuren sind solche, die im Stoffwechsel des Menschen hergestellt werden.

Im Organismus findet sich eine Vielzahl von Aminosäuren, die nicht in Proteine eingebaut werden, welche als nicht proteinogene Aminosäuren bezeichnet werden. Sie haben wichtige Funktionen als Produkte des Intermediärstoffwechsels, sind Bestandteile von Koenzymen, dienen als Neurotransmitter im Zentralnervensystem, als Vorstufen der biogenen Amine und für die Hormonsynthese.

Der Proteinbedarf ist individuell verschieden. Er ist abhängig vom Alter und der Lebenssituation. Für gesunde Erwachsene gilt ein Proteinbedarf von 0,8-1g/kg Körpergewicht.

Weiterführende Informationen können Sie im Buch „Ernährungsmedizin“ von Biesalski et. al (Kapitel 8 „Proteine“, ISBN: 9783131002945) nachlesen.

https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/faqs/protein/

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4. Enzyme

Nahezu alle bekannten Enzyme sind Proteine. Die hervorstechendsten Eigenschaften der Enzyme sind ihre katalytischen Eigenschaften und ihre Spezifität. Das bedeutet, sie beschleunigen Reaktionen um das Millionenfache oder mehr. Ohne sie würden die meisten Reaktionen in biologischen Systemen nicht in wahrnehmbarem Umfang ablaufen. Enzyme sind hochspezifisch, sowohl was die katalysierte Reaktion als auch was die Wahl der Reaktionsteilnehmer der Substrate, betrifft.

Stryer „Biochemie“ in Kapitel 8 „Enzyme: Grundlegende Konzepte und Kinetik“ (ISBN: 978-3-662-54619-2).

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5. Hormone

Der Begriff Hormon (griechisch: horman = aufrühren, erregen) als Sammelbezeichnung für chemische Botenstoffe kann unterschiedlich weit gefasst werden. Nach der „klassischen“ Auffassung werden unter diesem Begriff Signalstoffe verstanden, die in spezialisierten Organen (oder Geweben), den Hormondrüsen synthetisiert werden. Fast immer gelangen diese glandulären Hormone, beispielsweise die Schilddrüsenhormone oder das Insulin, über die Blutbahn zu ihren Zielorganen, wo sie ihre Regulationsfunktionen auf biochemischer und physiologischer Ebene aufbauen.

Hormone stehen in Wechselwirkung miteinander und bilden in vielen Fällen hierarchische Systeme.

Weiterführende Informationen können Sie im Buch „Biochemie der Ernährung“ in Kapitel „1.4 Die hormonale Regulation“ nachlesen (ISBN 978-3-8274-2041-1).

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6. Proteine in Lebensmitteln

Am meisten Proteine stecken in Nüssen, Hülsenfrüchten und Fleisch. Auf ihr Gesamtgewicht bezogen haben Nüsse einen durchschnittlichen Proteinanteil von etwa 17 Prozent. Bei Hülsenfrüchten sind es 15 Prozent. Das ist für Pflanzen ungewöhnlich hoch. Getreide, Reis und Kartoffeln etwa liefern Proteine nur im einstelligen Prozentbereich. Bei Obst sind es im Schnitt 0,7 Prozent. Der Proteingehalt von Fleisch ist deutlich höher: bis zu 19 Prozent.

Zu den proteinreichen Lebensmitteln zählen neben Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Eiern vor allem Hülsenfrüchte, wie Soja, Linsen und Erbsen. Auch Getreideprodukte, wie Brot, tragen zur Versorgung mit Proteinen bei.

Lebensmittel Portionsgröße
(verzehrbarer Anteil)
Proteingehalt in g
pro 100 g pro Portion
Pflanzliche Lebensmittel
Tofu, gegart 100 g 16 16
Vollkornnudel, gegart 200 g 6 12
Linsen, gegart 120 g 9 11
Erbsen, grün, gegart 150 g 7 10,5
Champignons, gegart 200 g 4 8
Haferflocken 6 Esslöffel (60 g) 13 8
Sojadrink 1 Glas (200 ml) 3,5 7
Rosenkohl,gegart 150 g 4 6
Kartoffeln, geschält, gekocht 250 g 2 5
Bohnengrün, gegart 150 g 3 4,5
Walnüsse 25 g 16 4
Vollkornbrot 1 Scheibe (50 g) 7 3,5
Tierische Lebensmittel
Schweinefleisch, gegart 1 Stück (150 g) 28 42
Forelle, gegart 150 g 23 35
Quark (mind. 20 % Fett i. Tr.) 150 g 14 19
Emmentaler (min. 20 % Fett i. Tr.) 1 Scheibe (30 g) 34 10
Ei, gekocht 1 Stück (60 g) 12 7
Kuhmilch (1,5 % Fett) 1 Glas (200 ml) 3 6
Joghurt (1,5 % Fett) 1 kleiner Becher (150 g) 3 4,5

Pflanzliche und tierische Proteine unterscheiden sich in der Aminosäurenzusammensetzung und in der Bioverfügbarkeit der Aminosäuren. Proteine aus Lebensmitteln tierischen Ursprungs enthalten i. d. R. alle unentbehrlichen Aminosäuren in ausreichender Menge in Bezug zum Bedarf. Pflanzliche Lebensmittel weisen häufig nicht das volle Spektrum der unentbehrlichen Aminosäuren auf. Durch die gezielte Kombination von beispielsweise Getreide mit Hülsenfrüchten, wie bei Linsengemüse mit Reis oder Erbseneintopf mit Brot, kann dies ausgeglichen werden. Getreide ist arm an Lysin, Threonin und Tryptophan, aber reich an Methionin. Hülsenfrüchte sind arm an Methionin, aber reich an Threonin und Tryptophan. Die Bioverfügbarkeit der Aminosäuren kann durch küchentechnische Verarbeitungsschritte, welche die Proteinstruktur verändern, beeinflusst werden. Dazu gehören zum Beispiel Keimen und Erhitzen. Lebensmittelbestandteile, welche die Absorption von freigesetzten Aminosäuren einschränken, können die Bioverfügbarkeit vermindern. Dazu gehören z. B. Tannine in Getreide und Hülsenfrüchten.

https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/faqs/protein/

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7. Proteinmangel

Eine Proteinmangelernährung verursacht schwerwiegende Erkrankungen. Bei Erwachsenen führt eine chronische Protein-Energie-Mangelernährung (PEM) unter anderem zum Gewichtsverlust, zur Verringerung der Muskel- und Fettmasse, zur Abnahme der Albuminkonzentration im Blutplasma und zum Auftreten von Ödemen. Weiterhin kommt es zu Leistungseinschränkungen. Kleinkinder mit einer Proteinmangelernährung, aber ausreichender Energiezufuhr in Form von Kohlenhydraten erkranken an Kwashiorkor (Symptome: massive Ödeme, verminderte Albuminkonzentrationen, Leberverfettung, Muskelatrophie, Wachstumsstörungen u. a.). Bei Protein- und Energiemangelernährung (z. B. bei Säuglingen nach der Stillperiode) tritt Marasmus auf, wobei Muskelatrophien, Verlust an Fettmasse, Wachstumsverzögerung bzw. -stillstand, Abnahme der Körpermasse, Diarrhö, Infektanfälligkeit aufgrund einer Abwehrschwäche und Apathie im Vordergrund stehen. Beide Erkrankungen treten vorwiegend in Entwicklungsländern auf.

Weiterführende Informationen können Sie im Buch „Ernährungsmedizin“ von Biesalski et. al (Kapitel 8 „Proteine“, ISBN: 9783131002945) nachlesen.

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8. Bücher

Schmidt, R. F., Thews, G. & Lang, F. (Hg.): Physiologie des Menschen. 28. Auflage. Springer 2000

Neuere Auflage: Brandes, R., Lamg, F. & Schmidt, R. F. (Hg.): Physiologie des Menschen. 32. Auflage. Springer 2019

Hildebrandt, J.-P., Bleckmann, H. & Homberg, U.: Penzlin – Lehrbuch der Tierphysiologie. Springer Spektrum 2014

Tischler, W.: Einführung in die Ökologie. Gustav Fischer 1993

Campbell, N. A.: Biologie. Pearson 2015

Scharf, K.-H. & Sebald, F.: Materialien für den Sekundarbereich II. Stoffwechselphysiologie, Schroedel 1999 Hannover

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9. Personen

Prof. Dr. Volkmar Wolters

Herr Wolters studierte Biologie, Psychologie und Philosophie an der Georg-August-Universität in Göttingen, anschließend promovierte er. Seit 1995 ist er an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Er leitet dort das Institut für Tierökologie und spezielle Zoologie. Seine Forschungsschwerpunkte liegen bei Boden- und Landschaftsökologie, räumlich explizite Biodiversitätsforschung, molekulare Ökologie, terrestrische Ökosystemforschung und Tier-Biodiversität. Früher war er Präsident der Gesellschaft für Ökologie.

Prof. Dr. Peter Stehle

Herr Stehle ist Ernährungsphysiologe. Er war früher Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Er leitet das Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn.

Prof. Dr. Harald Schwalbe

Herr Schwalbe ist Biochemiker. Er leitet das Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

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Interessierte Hörerinnen und Hörer finden auf dieser Seite weiterführende Informationen zu den einzelnen Sendungsthemen als Zusatzmaterial.

Die Zusatzmaterialien werden in der Reihenfolge gelistet, in der die Stichworte in der Sendung Erwähnung gefunden haben. Die Materialien wurden zum Zugriffszeitpunkt 20.11.2019 erstellt von:
Dr. Sandra Habicht, Jana Roßney

Zusatzmaterialien als PDF-Datei

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