11 Ernährungsforschung

Autorin: Katrin Zöfel

Studien und Laborversuche – die Grundlagen der Ernährungswissenschaften

Wie funktioniert Ernährungsforschung? Warum sind Ernährungsstudien so aufwändig? Und warum könnten Laborversuche mit Würmern helfen, Krankheiten wie Alzheimer einzudämmen?

Methodisch galt bisher: Wissenschaftler beobachten die Effekte von Nahrung auf den menschlichen Organismus – allerdings meist ohne „reinschauen“ zu können. Sie untersuchen im Labor, wie Inhaltsstoffe von Nahrung auf Zellkulturen wirken – oder überprüfen die Wirkungsweisen mithilfe von Tierversuchen. Mithilfe neuer Methoden kommt die moderne Ernährungsforschung nun auch dem menschlichen Stoffwechsel immer besser auf die Spur. Die Funkkolleg-Folge klärt die Grenzen der Ernährungsforschung und zeigt auf, wo sie heute wegweisend Neues hervorbringt.

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Sendung als Podcast

Download Funkkolleg Ernährung (Folge 11), MP3-Audioformat, 37,3 MB

Sendung in hr-iNFO: 01.02.2020, 11:30 Uhr

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Zusatzmaterial

Übersicht

  1. Caenorhabditis elegans (C. elegans)
  2. Adenosintriphosphat (ATP)
  3. Mitochondrium
  4. Vitaminmangelerkrankungen: Skorbut und Rachitis
  5. Quercetin und Resveratrol
  6. epidemiologische Studien
  7. Personen

1. Caenorhabditis elegans (C. elegans)

Caenorhabditis elegans ist ein kleiner, freilebender Fadenwurm, der sich als Standard-Modellorganismus für eine Vielzahl von genetischen Untersuchungen etabliert hat und besonders für das Studium der Entwicklungsbiologie, Zellbiologie und Neurobiologie nützlich ist. Als wirbelloses experimentelles System steht er heute nach Drosophila melanogaster an zweiter Stelle, was die Zweckmäßigkeit und Popularität betrifft. Bis zum Jahr 2000 hatte sich die Gemeinschaft der Forscher von C. elegans auf etwa 300 Labore, verteilt auf 20 Länder, erweitert. Im Jahr 1998 wurde die Sequenzierung der 97 Millionen Basenpaare der DNA, die das gesamte Genom ausmachen, im Wesentlichen abgeschlossen. Dies war die erste vollständige Genomsequenz, die für einen multizellulären Organismus bestimmt wurde.

Die potentielle Nützlichkeit von Nematoden als Werkzeuge für die genetische Forschung wurde schon früh von Ellsworth Dougherty (USA) und Victor Nigon (Frankreich) erkannt, aber die besondere Popularität von C. elegans rührt direkt von seiner Annahme als Versuchsorganismus durch Sydney Brenner her, der in den 1960er Jahren in Cambridge, Großbritannien, arbeitete.

C. elegans ist ein Mitglied des Stammes Nematoden, die allgemein als Fadenwürmer bekannt sind. Die Anzahl der Arten in diesem Stamm ist unbekannt, wird aber für sehr groß gehalten: mindestens hunderttausend und wahrscheinlich mehrere Millionen. Auch in Bezug auf die Einzelzahlen sind die Nematoden außerordentlich zahlreich; nach einigen Schätzungen sind vier von fünf Tieren auf diesem Planeten ein Nematode. Es kommen sowohl frei lebende als auch parasitäre Arten vor.

Entdeckung von Nutrazeutika bei C. elegans

Der Einsatz von C. elegans im Hochdurchsatz-Screening ist für Nutrazeutika-Forscher wertvoll, die sich auf die Suche nach neuen bioaktiven Phytochemikalien konzentrieren. Caenorhabditis elegans ist aufgrund seiner gut dokumentierten Genetik und Signalwege besonders gut für alterungsbezogene Studien geeignet. Außerdem hat es den Vorteil einer relativ vorhersehbaren und kurzen Lebensdauer. Wenn man Techniken in Betracht zieht, die diese Eigenschaften, einschließlich der Transparenz, ausnutzen können, dann verleihen die Kosteneffizienz und die Laboranforderungen des Modells es leicht zu Hochdurchsatz-Screenings. Mit Hilfe von Mutantenstämmen, RNA-Interferenz (RNAi) und passiven optischen Techniken kann C. elegans als ein frühes Modell zur Bewertung von Mechanismen und Signalwege verwendet werden, die früher teurere und zeitaufwändigere Methoden erfordert hätten. Obwohl es stimmt, dass für einige Studien traditionelle Techniken stärkere Daten liefern würden, insbesondere wenn sich das/die interessierende(n) Protein(e) in Lumineszenz/Phosphoreszenz-Assays nicht linear verhalten, kann die Verwendung von Nematoden ein guter vorläufiger Indikator für den Schutz sein. Wenn erste Studien mit C. elegans durchgeführt werden, kann dies die Zuteilung von Laborressourcen für Assays vermeiden, die je nach den mit diesen Würmern erzielten experimentellen Ergebnissen als unnötig erachtet werden könnten.

Spektroskopische Techniken für C. elegans sind auch wertvolle vorläufige Werkzeuge, um neue Entwicklungshemmer, Wurmmittel, Neurotransmitter-Agonisten/Antagonisten und Proteasom-Regulatoren zu finden. So haben beispielsweise Gerstbrein et al. (2005) spektrofluorimetrische Protokolle entwickelt, um schnell und kostengünstig altersbedingte selbstfluoreszierende Pigmente in vivo zu bewerten. Es ist jedoch zu beachten, dass bei Hochdurchsatzstudien mit C. elegans standardisierte Isolations-, Fütterungs- und Testprotokolle verwendet werden sollten, um individuelle Ergebnisse in allen Laboren zu minimieren. Wie bei anderen Studien sollten auch die Wechselwirkungen zwischen Testsubstanzen und Fütterungssubstraten untersucht werden.

https://www.sciencedirect.com/topics/neuroscience/caenorhabditis-elegans

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2. Adenosintriphosphat (ATP)

Die wichtigste energiereiche Verbindung des Zellstoffwechsels ist bekanntlich das Adenosintriphosphat (ATP). Der weitaus größte Teil des ATP, das die Zelle zur Energieversorgung ihrer zahlreichen Leistungen benötigt, wird durch die Mitochondrien zur Verfügung gestellt, weshalb diese Organellen häufig als „Kraftwerke der Zelle“ apostrophiert werden. Die mitochondriale ATP-Synthese ist das Endglied mehrerer aneinander gekoppelter Stoffwechselketten, die in ihrer Gesamtheit den oxidativen Stoffwechsel der Mitochondrien ausmachen. Prinzipiell können alle Verbindungen, die Reduktionsäquivalente liefern, oxidativ verstoffwechselt werden. Beim Menschen werden für diesen Zweck vor allem die Hauptnährstoffe, das heißt Kohlenhydrate, Fette und Aminosäuren, eingesetzt. (Quelle: Biochemie der Ernährung, Rehner und Daniel, ISBN: 978-3-8274-2217-0)

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3. Mitochondrium

Mitochondrien sind auch lichtmikroskopisch erkennbare Organellen, die in jeder Eukaryotenzelle vorkommen. Beinahe alle sauerstoffverbrauchenden Reaktionen der Zelle spielen sich in diesen „Energieumwandlern“ ab. Hinsichtlich ihrer Anzahl, Größe und Form sind die Mitochondrien der einzelnen Zelltypen recht unterschiedlich. Die Anzahl richtet sich im Allgemeinen nach dem Energiebedarf der Zelle. Die Dimensionen der Mitochondrien entsprechen in etwa denen von Bakterien: ihre Länge wird mit 2 bis 8 μm, ihre Breite mit 0,2 bis 1 μm angegeben, obgleich es auch kugelförmige Varianten gibt. Insgesamt weist die Form nicht nur Variabilität, sondern auch eine gewisse Plastizität auf. Je nach Funktionszustand der Zelle sind die Mitochondrien auch zu Ortswechsel befähigt und sammeln sich in der Nähe von Zellbezirken mit hohem ATP-Verbrauch an. Mitochondrien sind mit einer äußeren und einer inneren Membran ausgestattet, die hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung und ihrer Funktion unterschiedlich sind. Die beiden Membranen sind durch einen Zwischenraum, den Intermembranraum, getrennt, der als eigenes Kompartiment aufgefasst werden kann. Die innere Membran ist die Begrenzung der mitochondrialen Matrix. Diese Membran weist zahlreiche Einstülpungen, Cristae genannt, auf, die ihre Oberfläche stark vergrößern. Die Ausbildung der Cristae variiert ebenfalls in Abhängigkeit vom Aktivitätszustand und damit dem aktuellen ATP-Bedarf der Zelle. (Quelle: Biochemie der Ernährung, Rehner und Daniel, ISBN: 978-3-8274-2217-0)

http://www.zytologie-online.net/images/mitochondrium.jpg

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4. Vitaminmangelerkrankungen: Skorbut und Rachitis

Skorbut

L-Ascorbinsäure ist ein starkes Reduktionsmittel. Die Oxidation von L-Ascorbinsäure zu Dehydroascorbinsäure verläuft über die intermediär entstehende radikale Semidehydroascorbinsäure. Diese drei chemischen Formen des Vitamin C stellen ein reversibles Redoxsystem dar. Vitamin C hat im Körper zahlreiche Angriffspunkte. Am bekanntesten ist seine Beteiligung an dem Elektronentransfer von Hydroxylierungsreaktionen.

Ascorbinsäure ist weit verbreitet, da viele pflanzliche und tierische Organismen zur Biosynthese dieses Vitamins fähig sind. Bei den einheimischen Gemüsesorten ist die Kartoffel, wenn es auch lagerungsbedingt z.T. zu recht hohen Verlusten kommt, eine der wichtigen Vitamin C-Quellen neben den Zitrusfrüchten. Eine internationale Einheit (IE) Vitamin C entspricht 50 µg L-(+)-Ascorbinsäure. Mengenangaben in IE sind aber nicht gebräuchlich, üblicherweise erfolgen sie in mg.

Die Serumkonzentrationen von Vitamin C liegen normalerweise bei 10 mg/l. Konzentrationen unter 6 mg/l deuten auf eine nicht immer ausreichende und solche unter 4 mg/l auf eine ungenügende Zufuhr hin. Klinisch manifester Skorbut geht mit Serumkonzentrationen zwischen 0 mg/l und 2 mg/l einher.

Einige Ursachen, die zur Entwicklung eines Vitamin-C-Mangels beitragen können

  • Falsche Behandlung, Lagerung und Zubereitung der Nahrungsmittel zerstören das Vitamin
  • Magen-Darm-Erkrankungen verhindern eine ausreichende Resorption
  • Verstärkte physiologische Beanspruchung des Körpers wie Schwangerschaft und Stillzeit sowie Krankheit, vor allem Infektionen und Stress verschiedenster Art, u.a. Rauchen, führen durch erhöhten Bedarf zum Verbrauch von Reserven, nach deren Erschöpfung die ersten klinischen Skorbutsymptome auftreten
  • Gelegentlich findet man den Skorbut bei älteren Menschen, die sich einseitig ernähren

Symptomatik

Klinische Beschwerden eines Vitamin-C-Mangels, der beim Erwachsenen zum klassischen Bild des Skorbuts führt, sind Schleimhautblutungen, Schmerzen in den stärker beanspruchten Muskeln, vor allem in den Waden. Neben dem Prodromalstradium (ca. 1-3 Monate) wird die Hautfarbe blassgelblich bis schmutzig grau-gelb. Es entwickelt sich eine follikuläre Hyperkeratose, und es kommt zu größeren Blutungen in die Muskulatur und unter das Periost, verbunden mit ziehenden Gliederschmerzen (Skorbut-Rheumatismus).

Sekundäre Infektionen sind Ursache skorbutischer Geschwüre. Die Gingivitis als erstes Symptom eines Skorbuts ist relativ selten, fehlt jedoch kaum im weiteren Verlauf. Geschwüre entwickeln sich meist nur in der Nachbarschaft kariöser Zähne, die trotz Auflockerung der Schleimhaut nicht unbedingt ausfallen. Gelegentlich treten Blutungen in Konjunktiven, Aderhaut und Augenkammern auf, selten Nasenbluten, das dann aber meist schwer zu stillen ist.

Die Leber ist oft, die Milz fast nie vergrößert. Oft sind eine Hypotonie, vasomotorische Störungen und eine hypochrome Anämie mit praktisch normalen Leukozyten- und Thrombozytenwerten vergesellschaftet. Blutgerinnung und Blutungszeit sind unverändert. Die psychischen Veränderungen sind Gleichgültigkeit, allgemeine Unpässlichkeit und leichte Erschöpfbarkeit. Änderungen der Persönlichkeit und der psychomotorischen Leistung sowie eine verstärkte Schwermütigkeit und Depression.

Sonstiges

Im Säuglingsalter wird Skorbut auch als Möller-Barlow-Krankheit bezeichnet.

(aus: Ernährungsmedizin, Biesalski et. al, Kapitel 9 Wasserlösliche Vitamine, Vitamin C; ISBN: 978-3-13-100294-5)

Rachitis

Zur Vitamin-D-Familie gehört eine Reihe Verbindungen, die alle antirachistische Aktivität haben. Vitamin D3 und Vitamin D2 sind die beiden wichtigsten. Sie besitzen wie alle Steroide das typische Ringsystem von Cholesterol. Unter dem Einfluss von UV-Licht erfolgt in der Haut eine Fotoisomerisierung, bei der sich ein Ring des Provitamins 7-Dehydrocholesterol öffnet. Eine anschließende Thermoisomerisierung lässt ein Secosteroid mit drei konjugierten Doppelbindungen entstehen. 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Vitamin D3) wirkt wie ein Steroidhormon. Am Zielorgan wird es an ein intrazelluläres Rezeptorprotein gebunden und in den Zellkern transportiert. Dort assoziiert der Vitamin-Rezeptor-Komplex an die DNA und verändert die Transkription verschiedener hormonsensitiver Gene, was schließlich zu Änderungen in der Proteinsynthese mit entsprechenden biologischen Wirkungen führt.

Das in der Haut unter dem Einfluss von UV-Licht synthetisierte oder mit der Nahrung aufgenommene Vitamin D wird – gebunden an ein Vitamin-D-bindendes Protein – über das Blut in die Leber transportiert. Dort wird es vorwiegend in den Mitochondrien, zum Teil aber auch in den Mikrosomen, von einer mischfunktionellen Monooxygenase am C25 zu 25(OH)D3 hydroxyliert. Diese enzymatische Reaktion ist wohl keiner nennenswerten Regulation unterworfen, da der 25(OH)D3-Spiegel im Blut meist ziemlich genau die Vitamin-D-Versorgung widerspiegelt. Das so gebildete 25(OH)D3 wird nun, wieder gebunden an das Vitamin D-bindende Protein, in die Niere transportiert und in den Mitochondrien des proximalen Tubulus in der α-Stellung des C1 durch eine mischfunktionelle Monooxygenase zu 1,25(OH)2D3 hydroxyliert. In den gleichen Zellen liegt ein weiteres Enzym vor, das eine Hydroxylierung am C24 katalysieren kann. Dabei entsteht 24 R,25-Dihydroxycholecalciferol, das ebenso wie 1,25(OH)2D3 zu 1,24R,25-Trihydroxycholecalciferol weiter verstoffwechselt werden kann. Die Bildung des Steroidhormons 1,25(OH)2D3 in der Niere unterliegt einer fein abgestimmten Regulation. Die wichtigsten Faktoren, die seine enzymatische Bildung direkt beeinflussen, sind Parathormon (PTH) und ein niedriger Phsophatspiegel: Sie aktivieren die Hydroxylase. Das Produkt 1,25(OH)2D3 wirkt hemmend. Indirekt, meist über das Parathormon, beeinflussen u.a. Kalzium, Östrogen, Glukokortikoide, Kalzitonin, Wachstumshormone und Prolaktin die D3-Bildung. All diese Regulationsschritte dienen dazu, gerade so viel des Vitamins zu synthetisieren, dass der Körper in der momentanen Situation seinen Kalzium- Und Phsophatbedarf decken kann. Die Regulation der Bildung von 24,25(OH)2D3 erfolgt übrigens durch die gleichen Faktoren, jedoch in gerade umgekehrter Richtung, d.h. 1,25(OH)2D3 und Phosphat aktivieren und Parathormon hemmt die Reaktion.

Das Vorkommen von Vitamin D in Lebensmitteln ist sehr begrenzt. Kuh- und Muttermilch enthalten weniger als 5 IE/100 ml. Die wichtigste Vitamin-D-Quelle in der Ernährung ist fetter Fisch. So deckt z.B. 20 g Hering bereits die Tagesempfehlung vom 5 µg. Fischleber (Lebertran) enthält sehr hohe Mengen an Vitamin D. In Pflanzen finden sich meist nur Spuren von Vitamin D2 bzw. seine Vorstufe, das Ergosterol (Provitamin D2). Wichtigste pflanzliche Quelle sind Pilze, wobei eine Trocknung der Pilze unter Sonnenlicht (UV-B) zu einer starken Zunahme des Vitamin D2 führt. Bei der Angabe des Bedarf ist zu bedenken, dass Mensch und Tier unter dem Einfluss von Sonnenlicht in der Haut Vitamin D3 aus der Vorstufe 7-Dehydrocholesterol synthetisieren können. Diese Eigensynthese ist abhängig von der Aufenthaltsdauer im Freien sowie von der Sonneneinstrahlung und damit vom Breitengrad; sie deckt den Großteil des Bedarfs.

Mangel

Das klassische Bild des Vitamin-D-Mangels ist die Rachitis, hervorgerufen durch eine inadäquate intestinale Resorption und renale Reabsorption von Kalzium und Phosphat: Deren Serumspiegel sinken, und die Aktivität der alkalischen Phosphatase steigt. Als Reaktion auf die niedrigen Serumkalziumspiegel kommt es zum Hyperparathyreodismus. Das Parathormon führt zusammen mit 1,25(OH)2D3, das zu Beginn des Mangels noch im Knochen vorhanden ist, zu einer Demineralisierung des Knochens, was dann letztlich bei Kindern Rachitis und bei Erwachsenen Osteomalazie zur Folge hat. Die klassischen Veränderungen an den Knochen resultieren aus der Demineralisierung des Skeletts. Die Dickenzunahme besonders im Gelenkbereich ist auf eine entsprechende Überbelastung der Epiphysen zurückzuführen und tritt typischerweise nur beim wachsenden Organismus, nicht jedoch am ausgewachsenen Skelett im Falle der Osteomalazie auf. Osteomalazie entwickelt sich erst, nachdem das Skelett vollständig ausgewachsen ist. Obwohl hier die Mineralisierung des Knochens abgeschlossen ist, kommt es aufgrund der weiterbestehenden Kollagenbildung zur Entwicklung einer unkalzifierten Knochenmatrix. Die wesentlichen Symptome der Osteomalazie sind muskuläre Schwäche und Knochenschmerz, mit fortschreitender Erkrankung kann es auch zu Frakturen kommen. Solche chronischen Muskel- und Knochenschmerzen lassen sich, wie Untersuchungen aus den USA gezeigt haben durch die Gabe von Vitamin D beseitigen. Untersuchungen in Deutschland haben gezeigt, dass eine bedeutende Risikogruppe Immigranten aus südlichen Ländern sind. Hier sind vor allem Kinder und Frauen, insbesondere wenn sie verschleiert sind, betroffen. Eine unzureichende Vitamin-D-Versorgung im Alter hat eine gesteigerte Frakturrate zur Folge und einen negativen Effekt auf die Funktion des Immunsystems.

Epidemiologie

Der Vitamin-D-Mangel in unterschiedlicher Ausprägung ist ein weltweites Problem. Je weiter nördlich eine Population lebt, desto ausgeprägter ist dieses Defizit. Die Nationale Verzehrstudie hat gezeigt, dass in Deutschland die Empfehlungen von der Gesamtbevölkerung gerade einmal zu 50% erreicht werden. Untersuchungen an Kindern und Jugendlichen (3-17 Jahren) in Deutschland haben ergeben, dass in nahezu 90% aller Untersuchen die Blutwerte unter 60 nmol/l lagen. Besonders Kinder aus Immigrantenfamilien wiesen teilweise sehr niedrige Blutwerte (< 25 nmol/l) auf.

Ursachen

Wesentlicher Grund für die unzureichende Zufuhr dürfte sein, dass die Hauptquelle für Vitamin D, fetter Fisch, nicht regelmäßig genug verzehrt wird. Für Kinder und Jugendliche ist dies, wenn sie sich ausreichend in der Sonne bewegen und somit eine gute Vitamin-D-Synthese in der Haut haben, weniger problematisch. Bei den beschriebenen niedrigen Blutwerten ist jedoch davon auszugehen, dass auch die Vitamin-D-Synthese der Haut aufgrund mangelnder Sonnenbestrahlung nicht ausreichend ist. Für alte Menschen wird die Vitamin-D-Versorgung durch Sonnenlicht zu einem gravierenden Problem, da jenseits des 60. Lebensjahres die Vitamin-D-Synthese erheblich abnimmt. Das bedeutet, dass der alte Mensch in erster Linie auf die Zufuhr von Vitamin D durch die Ernährung angewiesen ist. Da dies jedoch, wie die Nahrungsverzehrstudie II gezeigt hat, kaum möglich ist, sollte alten Menschen eine Supplementierung empfohlen werden.

(aus: Ernährungsmedizin, von Biesalski et. al, Kapitel 9 Fettlösliche Vitamine, Vitamin D; ISBN: 978-3-13-100294-5)

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5. Quercetin und Resveratrol

Quercetin

Quercetin, ist ein Polyphenol aus der Klasse der Flavonoide, die für ihre positiven Auswirkungen auf die Gesundheit bekannt sind, lange vor ihrer biochemischen Charakterisierung. Insbesondere wird Quercetin als Flavonol kategorisiert, eine der fünf Unterklassen der Flavonoidverbindungen. Obwohl Flavonoide entweder als Glykoside (mit angehängten Glykosylgruppen) oder als Aglykone vorkommen, ist der Großteil der ernährungsbedingten Aufnahme von Quercetin in der Glykosidform. Nach dem Kauen, der Verdauung und der Absorption können Zuckeranteile aus Quercetin-Glykosiden freigesetzt werden. Mehrere Organe tragen zum Quercetin-Stoffwechsel bei, darunter der Dünndarm, die Nieren, der Dickdarm und die Leber, wodurch glukuronidierte, methylierte und sulfatierte Formen von Quercetin entstehen; darüber hinaus wird freies Quercetin (wie z.B. Aglykon) auch im Plasma gefunden. Quercetin wird heute weitgehend als Nahrungsergänzungsmittel und als phytochemisches Heilmittel für eine Vielzahl von Krankheiten wie Diabetes/Adipositas und Kreislaufstörungen, einschließlich Entzündungen sowie Stimmungsstörungen, verwendet. Aufgrund seiner chemischen Grundstruktur ist das offensichtlichste Merkmal von Quercetin seine starke antioxidative Aktivität, die es ihm potenziell ermöglicht, freie Radikale von der Bildung resonanzstabilisierter Phenoxylradikale abzuhalten.

In dieser Übersicht werden die molekularen, zellulären und funktionellen Grundlagen der Therapie unter strikter Berücksichtigung der in der begutachteten Literatur erschienenen Daten und unter Zusammenfassung der wichtigsten therapeutischen Anwendungen von Quercetin hervorgehoben; darüber hinaus werden auch der Arzneimittelstoffwechsel und die wichtigsten Arzneimittelwechselwirkungen sowie die potenzielle Toxizität beleuchtet.

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0367326X15300927?via%3Dihub

https://ars.els-cdn.com/content/image/1-s2.0-S0367326X15300927-fx1_lrg.jpg

Resveratrol

Resveratrol ist ein Polyphenol, das in Trauben reichlich vorhanden ist. Schale und Samen.  Nahrungsquellen für Resveratrol sind unter anderem Wein, Beeren und Erdnüsse.  Diese Verbindung hat viele Eigenschaften, einschließlich der Aktivität gegen Glykierung und oxidativen Stress, Entzündung, Neurodegeneration, verschiedene Krebsarten und Alterung. Da Resveratrol im Allgemeinen gut toleriert wird, gilt es als ein vielversprechender Wirkstoff in die Prävention vieler Krankheiten, wie z.B. Diabetes und dessen Komplikationen. Leider weist diese Verbindung niedrige Bioverfügbarkeit und Löslichkeit auf. Folgender Artikel fasst die neuesten Informationen über die vielfältigen Auswirkungen von Resveratrol auf die Gesundheit und die Vorteile seiner Einnahme, basierend auf in vitro und in vivo Studien an Tieren und Menschen, zusammen.

https://ojs.ptbioch.edu.pl/index.php/abp/article/view/2749

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6. epidemiologische Studien

Die Epidemiologie (von griech. epi „auf, über“, demos „Volk“, logos „Lehre“) ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Verteilung von Krankheiten in einer Bevölkerung (deskriptive oder beschreibende Epidemiologie) beschäftigt und mit den Faktoren, die diese Verteilung beeinflussen (analytische Epidemiologie). Ausgehend von der untersuchten Krankheit oder vom untersuchten Einflussfaktor (der Exposition) lassen sich verschiedene Untergruppen der Epidemiologie benennen:

  • bezüglich der Krankheiten etwa Infektions-, Herz-Kreislauf- oder Krebsepidemiologie,
  • bezüglich der Einflussfaktoren etwa Arbeits-, Umwelt-, Strahlen-, Ernährungs- oder genetische Epidemiologie.

Epidemiologische Studien sind Beobachtungsstudien am Menschen

Epidemiologische Studien sind Beobachtungsstudien am Menschen unter realen Umweltbedingungen. Sie unterscheiden sich damit grundlegend von experimentellen Studien, in denen Versuchspersonen zufällig (randomisiert) und unter kontrollierten Laborbedingungen einer Exposition ausgesetzt werden. Bei sogenannten „doppelt verblindeten“ Studien kennt zudem weder der Forscher noch die Versuchsperson den Expositionsstatus während des Experiments.

Aus ethischen und praktischen Gründen können beim Menschen häufig keine derartigen experimentellen Studien zum Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen einer Exposition als Ursache und einer Erkrankung als Wirkung durchgeführt werden. In diesen Situationen stellen Beobachtungsstudien die Basis für die Abschätzung des Erkrankungsrisikos beim Menschen dar.

https://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/ergebnisse/epidemiologie/epidemiologie_node.html

Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Durchführung von epidemiologischen Studien, je nachdem, ob die Exposition vorgegebenen ist oder nicht (experimentelle und nicht-experimentelle Studien), und wie die Bewertung in Bezug auf die Zeit (prospektive und retrospektive Studien) erfolgt.

Experimentelle Studien

In experimentellen Studien wird die Exposition durch das Protokoll bestimmt. Zum Beispiel, um die Wirksamkeit der Zugabe von Fluorid in der kommunalen Wasserversorgung bei der Verhinderung von Zahnverfall zu untersuchen, wurden zwei ähnliche Städte im Bundesstaat New York angesehen. In einer der Städte wurde Fluorid der Wasserversorgung hinzugefügt; in der anderen Stadt geschah nichts. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren wurden die Bewohner beider Städte zahnärztlichen Untersuchungen unterzogen, um die Wirkung des Eingriffes zu messen.

Nicht-experimentelle Studien

In nicht-experimentellen Kohortenstudien wird die Exposition nicht im Protokoll vorgegeben. Sie werden auch als Beobachtungs- oder reale Studien bezeichnet. Kohortenstudien werden oft an einer Stichprobe der Allgemeinbevölkerung durchgeführt (von denen alle Freiwillige sind, die nach Aufklärung ihre Einwilligung erteilt haben). Zum Beispiel wurden für eine bekannte Kohortenstudie in den USA, die ‚Studie zur Gesundheit von Krankenschwestern‘, mehrere Tausend Krankenschwester rekrutiert. Alle zwei Jahre erhalten die Studienteilnehmerinnen ausführliche Fragebögen. Die Krankenschwestern berichten über ihre Ernährung, Lebensstil, Medikamente, Familiengeschichte, Arbeitszeitregelungen, Familienleben, usw. Sie berichten auch über alle Krankheiten, die bei ihnen auftreten.

Prospektive Studien

In prospektiven Studien wird eine Frage gestellt und eine Hypothese zwischen Risikofaktor und langfristiger Wirkung aufgestellt. Prospektive Studien werden konzipiert, bevor irgendwelche Informationen gesammelt werden. Gruppen von ähnlichen Personen (Kohorten), die in Bezug auf bestimmte Risikofaktoren unterschiedlich sind, werden identifiziert und nachverfolgt, um zu beobachten, wie diese Faktoren die Inzidenz eines bestimmten Ergebnisses über die Zeit beeinflussen. Zum Beispiel könnte in einer prospektiven Studie eine Kohorte LKW-Fahrer mittleren Alters, die in Bezug auf ihre Rauchgewohnheiten variieren, nachverfolgt werden, um die Hypothese zu testen, wonach die Inzidenzrate von Lungenkrebs über 20 Jahre unter starken Rauchern die höchste sein wird, gefolgt von moderaten Rauchern bis zu den Nichtrauchern.

Retrospektive Studien

In retrospektiven Studien wird eine Frage gestellt und rückblickend beantwortet (von der beobachteten Wirkung zum Risiko). Diese Studien nutzen Informationen, die in der Regel zuvor für andere als Forschungszwecke gesammelt wurden, wie zum Beispiel Verwaltungs- und medizinische Daten. Das untersuchte gesundheitsbezogene Ereignis ist zu Beginn der Studie bereits aufgetreten (oder nicht). Zum Beispiel werden in einer retrospektiven Studie alle Fälle von Myokardinfarkt aus medizinischen Dateien ausgewählt und die Risikofaktoren, die dieses Ereignis erklären könnten, in der Vergangenheit betrachtet. Eine Fall-Kontroll-Studie ist eine häufige Art der retrospektiven Beobachtungsstudie, in der zwei bestehende Gruppen, die in Bezug auf die Ergebnisse unterschiedlich sind, identifiziert und auf der Grundlage vermuteter Risikofaktoren miteinander verglichen werden.

https://www.eupati.eu/de/klinische-entwicklung-und-studien/epidemiologie/#Arten_von_epidemiologischen_Studien

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7. Personen

Prof. Dr. Gunter P. Eckert

Dr. Gunter P. Eckert ist Professor für Ernährung in Prävention und Therapie am Institut für Ernährungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen. Prof. Eckert hat Lebensmittelchemie und Umwelttoxikologie in Kaiserslautern studiert und in Heidelberg sowie Frankfurt im Fach Pharmazie promoviert. Es folgten Auslandsaufenthalte in Sao Paulo, Brasilien und Minneapolis, USA. Als Fachpharmakologe arbeitete er viele Jahre an der Goethe-Universität in Frankfurt auf dem Gebiet der medikamentösen Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen, wo er zur Neuropharmakologie von Statinen habilitierte. Nach seiner Habilitation wandte er sich verstärkt der Prävention von neurodegenerativen Erkrankungen zu. Heute erforscht er mit seiner experimentellen Arbeitsgruppe in Gießen Mechanismen, die Alterungsprozessen zu Grunde liegen und wie diese durch biofunktionelle Nahrungsbestandteile und potentielle Wirkstoffe moduliert werden können. Dabei steht die Funktion der Mitochondrien, der Kraftwerke der Zellen, im Fokus.

M. Sc. Fabian Schmitt

Fabian Schmitt, geboren am 24. April 1993 in Darmstadt, absolvierte nach dem Abschluss der Realschule eine Ausbildung als Koch. Im Rahmen dieser Ausbildung machte er sich mit den Grundzügen der humanen Ernährung vertraut. Getrieben vom Interesse an heutigen Fragestellungen der Ernährung begann er im Jahr 2013 nach dem Abschluss einer Fachoberschule im Bereich der Ernährungswirtschaft ein Studium an der Justus-Liebig-Universität Gießen im Studiengang Ernährungswissenschaft welches er im Jahr 2019 mit dem akademischen Grad des Master of Science abschloss. Im Anschluss an sein Studium begann er eine Promotion zum Dr. rer. nat. an der Professur für Ernährung in Prävention und Therapie unter Prof. Dr. Gunter P. Eckert. Fabian Schmitt beschäftigt sich in seiner Forschung mit dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans, welcher für viele Fragestellungen der Ernährungswissenschaften als Modellorganismus herangezogen wird. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der mitochondrialen Alterungs- bzw. Alzheimerforschung.

M. Sc. Lukas Babylon

Lukas Babylon (*1992) interessierte sich schon früh für Ernährung und Gesundheit. Nach Absolvierung der Hochschulreife an einem Beruflichen Gymnasium im Gesundheitsbereich und einem freiwilligen sozialen Jahr in einer Behindertenwerkstatt, begann er 2012 sein Studium an der Justus Liebig Universität in Gießen. Seinen Bachelor, in Ökotrophologie, legte er im Frühjahr 2016 ab und begann im Anschluss sein Masterstudium der Ernährungswissenschaften in Gießen. Nach Beendigung des Masters im Sommer 2019, folgt seine Promotion in der Ernährungswissenschaft in der Professur für Ernährung in Prävention und Therapie an der Justus Liebig Universität Gießen.

Prof. Dr. Jan Frank

Herr Frank studierte Ernährungs- und Haushaltswissenschaften an der Universität in Bonn und schloss dieses mit dem Titel Diplom Ökotrophologe ab. Seinen Ph.D. in Lebensmitelwissenschaften absolvierte er an der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften in Uppsala, Schweden. Anschließend arbeitete er als Wissenschaftler am Institut für Humanernährung und Lebensmittelwissenschaft an der Christian Albrechts Universität in Kiel. Weiterhin war er als Gastwissenschaftler an verschiedenen Universitäten im Vereinigten Königreich. Von 2009 bis 2012 war er Leiter der Abteilung Bioverfügbarkeit und Bioaktivität von Mikronährstoffen am Institut für biologische Chemie und Ernährung der Universität in Hohenheim, Stuttgart. Von September 2012 bis August 2013 war er Professor für Human Metabolomics in der Abteilung für Ernährung und Lebensmittelwissenschaften an der Universität in Bonn. Seit September 2013 ist er Professor in der Abteilung Biofunktionalität und Sicherheit von Lebensmitteln am Institut für biologische Chemie und Ernährung der Universität in Hohenheim, Stuttgart. Seit April 2018 ist er zusätzlich Vizedekan der Fakultät für Naturwissenschaften an der Universität in Hohenheim, Stuttgart.

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Interessierte Hörerinnen und Hörer finden auf dieser Seite weiterführende Informationen zu den einzelnen Sendungsthemen als Zusatzmaterial.

Die Zusatzmaterialien werden in der Reihenfolge gelistet, in der die Stichworte in der Sendung Erwähnung gefunden haben. Die Materialien wurden zum Zugriffszeitpunkt 29.01.2020 erstellt von:
Dr. Sandra Habicht, Jana Roßney

Zusatzmaterialien als PDF zum Herunterladen